Pages

Tuesday, August 25, 2020

Viadrina: Leiter des Sprachenzentrums in Frankfurt (Oder) Thomas Vogel wird verabschiedet - Märkische Onlinezeitung

seritsriti.blogspot.com

Frankfurt (Oder) (MOZ) Sein letztes Semester sei so verrückt gewesen wie sein erstes, sagt Thomas Vogel. Ende August wird der Leiter des Viadrina-Sprachenzentrums in den Ruhestand verabschiedet.

Verrückt durch die Pandemie, die ihn und sein Team dazu zwang, sich neue Räume zu erschließen – im Digitalen. Vor 28 Jahren als der Anglist antrat, die Sprachausbildung an der frisch gegründeten Universität zu entwickeln, musste er auch Räume suchen und Neues aufbauen. Das Sprachenzentrum, das Vogel leiten sollte, gab es noch nicht. Überhaupt hatte die Viadrina, die der Leuchtturm in der düster wirkenden Grenzstadt an der Oder werden sollte, im Sommer 1992 noch keine Adresse in Frankfurt. Vogels Bewerbungsgespräch fand im Flughafenrestaurant in Berlin-Tegel statt.

Der junge Sprachwissenschaftler war aus Kiel angereist, per Zug, wo er an der Uni arbeitete, zum Thema Spracherwerb geforscht hatte. In der Mensa hatte er in einer Zeitschrift von der Gründung einer Europa-Universität an der deutsch-polnischen Grenze gelesen. Das sprang ihn an. Vogel, der seinen Master im vom Nordirlandkonflikt geschüttelten Belfast gemacht hatte, war gelangweilt von der Behäbigkeit alter westdeutscher Universitäten, ihren Hierarchien, ihrer wenig weltgewandten Ausrichtung. Vier Professoren der Berufungskommission für das Sprachenzentrum aus Saarbrücken, Poznan, Hannover saßen ihm in Tegel gegenüber. Man kannte sich. "Ich war bestimmt nicht der Bewerber der ersten Wahl", sagt Vogel. "Ich schätze, mein Bezug zu Polen war entscheidend. Und ich konnte international denken." Seit Anfang der 80er war der Linguist immer wieder nach Polen gereist, denn dort habe es tolle internationale Konferenzen mit spannenden Leute gegeben, erinnert er sich.

Von Frankfurt kannte Thomas Vogel nur die Minol-Tankstelle. Mit seiner Frau und dem siebenjährigen Sohn schauten sie sich die Stadt an: das Museum Junge Kunst, am Abend ein Orgelkonzert in der Gertraudenkirche, zu dem sie mit Handschlag begrüßt wurden – nur eine Handvoll Leute im Publikum. Es sei keine große Liebe gewesen, sagt er. Aber was zählte war die Pioniertat. So tickten viele aus der Gründergeneration der Uni.

Die Zusage kam und Vogel nahm im September 1992 die Herausforderung seines Lebens an. An der neuen Universität, die das "Havard des Ostens" werden wollte und "deren Grundkonzept das Verstehen und Überschreiten von Grenzen war" – wie Gründungsrektor Hans N. Weiler schrieb – sollte das Sprachen lernen eine große Rolle spielen. Weiler habe amerikanische Ideen mitgebracht, pflegte eine offene, direkte Kommunikation, sagt Vogel über seinen ersten Chef.

Schon im Oktober kamen die ersten 400 sehr jungen Studierenden. Bis dahin wurden vier Dozenten eingestellt, einer davon Andreas Bahr, der bis heute als Französischlektor an Bord ist. Räume mussten her ebenso wie "Papier und Bleistifte", so Vogel. Im Gauß-Gymnasium kam man unter, später im Oderturm, dann im Audimax. "Im Büro, das ich bezog, hing noch ein Lenin-Porträt", erinnert er sich. Es gab eine Idee, ein motiviertes Team und genug Geld aus Potsdam. Schwerer war es, eine Wohnung zu finden. Familie Vogel zog 1993 nach Neuberesinchen. "Wir dachten, wir bleiben fünf Jahre. Aber wir blieben 25", so Vogel. Auch seine Frau arbeitete an der Viadrina. Bis das einstige Haus der Offiziere in der August-Bebel-Straße zum Sprachenzentrum umgebaut war, vergingen mehr als zehn Jahre. Die waren davon geprägt, die neue Uni "auf die Landkarte zu bringen", sagt Vogel, Politiker wie Genscher und Kwasniewski zu empfangen und zu erproben, wie man den eigenen hohen Ansprüchen denn gerecht werden kann.

Sprachkurse, Tutoren und bilinguale Grundschule

Peer Tutoring, ein Selbstlernzentrum und vieles mehr entstanden unter Vogel am Sprachenzentrum. Er baute Partnerschaften auf – international zu anderen Sprachenzentren, lokal zu Akteuren in der Grenzregion, die Vision einer mehrsprachigen Gesellschaft vor Augen. Seien es Sprachkurse für das deutsch-polnische Polizeizentrum in Swiecko, studentische Sprachtutoren für Kitas in Słubice und Frankfurt oder der Einsatz für eine bilinguale Grundschule – Thomas Vogel kennt man in der Doppelstadt. "Ich bin stolz, dass wir uns in der Region eingebracht haben", sagt er. Am Herzen liegt ihm weiter das Wulkower Netzwerk, in dem sich 30 Sprachenzentrumsleiter aus Europa seit 2009 jedes Jahr in Brandenburg treffen. In der Coronazeit hat der Austausch per Videochat eine neue Intensität bekommen. Privat sind die Vogels 2016 nach Köpenick gezogen, die in Frankfurt aufgewachsenen Söhne sind erwachsen. An die Oder kommen sie nun zum Ferien machen – auf ihre Datsche.




August 25, 2020 at 03:38PM
https://ift.tt/2EsWkop

Viadrina: Leiter des Sprachenzentrums in Frankfurt (Oder) Thomas Vogel wird verabschiedet - Märkische Onlinezeitung

https://ift.tt/38j0k5Q
Vogel

No comments:

Post a Comment