Potsdam - Der Wassermangel wird eines der größten Probleme, vor denen das Land Brandenburg in den nächsten Jahren steht, sagt Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Grüne) und kündigt er konsequentes Wassersparen an. Er erklärt, wie Brandenburgs Bauern künftig vor zu hohen Bodenpreisen geschützt werden sollen - und warum auch Grüne Tiere töten.
Herr Minister Vogel, wie sehr hofft ein Brandenburger Landwirtschaftsminister derzeit auf Regen?
Wir erleben jetzt zum dritten Mal in Folge ein Jahr mit viel zu wenig Niederschlägen. Das wirkt sich verheerend auf den Wald aus. In der Landwirtschaft gibt es noch einen gewissen Puffer, weil dort nicht die Durchfeuchtung des Bodens bis 1,50 Meter Tiefe nötig ist. Aber auch die Landwirtschaftsverbände warnen davor, dass die Ernte dieses Jahres erneut unter dem langjährigen Durchschnitt bleiben könnte. Als Agrar- und Umweltminister muss ich das mit wirklich großer Sorge sehen: Denn die Trockenheit wirkt sich nicht nur auf die Agrarproduktion aus. Sie wirkt sich auf die Wälder aus, auf die Moore, auf alle Biotope im Land.
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Der erste Bauer im Land hat auf Kichererbsen umgestellt. Ist das die Zukunft der Brandenburger Landwirtschaft?
Ich finde dieses Projekt sehr interessant. Wir haben auch Bauern, die Hirse anbauen, die Flachs anbauen und Getreide, das wesentlich weniger Niederschläge braucht. Aber es geht nicht nur um fehlende Niederschläge: Brandenburg wird künftig auch gegen Hitze und Sonneneinstrahlung resistentere Getreidesorten brauchen. Denn der Klimawandel findet statt. Er findet vor unser aller Augen statt. Und er lässt sich nicht mehr verdrängen.
Was bedeutet das für Brandenburg?
Wir werden zunehmend Wasserprobleme bekommen. Mehrere Landkreise haben schon heute verboten, Wasser aus Seen und Flüssen zu entnehmen. Wir brauchen für das gesamte Land eine Niedrigwasserkonzeption. Wir erarbeiten diese jetzt. Wir müssen uns aber auch stärker um das Grundwasser kümmern. Früher war das kein Problem: Denn die Grundwasserneubildung war größer als die Entnahme von Grundwasser. Heute ist das nicht mehr so. Wir können nicht einfach zusehen, wie unsere Grundwasservorräte aufgebraucht werden.
Kann es sein, dass Sie manchen Landwirten irgendwann sagen müssen: Lasst es besser – es lohnt nicht mehr?
Ich werde ihnen nicht sagen, dass sie ihren Betrieb einstellen sollen. Das werde ich mit Sicherheit nicht tun. Aber die Landwirtschaft muss sich an die klimatischen Verhältnisse im Land anpassen. Wir müssen zum Beispiel mehr Strukturen in die Landschaft bringen: Wenn der warme Wind über große Felder streift, dann trocknet der Boden aus. Das hat unmittelbar Auswirkungen auf die Ernte. Im Gemüseanbau zum Beispiel wird es künftig ohne Tröpfchenbewässerung nicht gehen.
Wo kommt das Wasser dafür her, wenn doch kein Wasser entnommen werden soll?
Ich habe extra von Tröpfchenbewässerung gesprochen. Kritisch ist vor allem die großflächige Feldbewässerung, wo hunderttausende Kubikmeter Wasser aus dem Grundwasser genommen werden. Hier werden wir alle Genehmigungen noch einmal überprüfen und sehr viel restriktiver an die Genehmigungspraxis herangehen müssen. Denn ein sparsamer Umgang mit Wasser ist in Brandenburg das oberste Gebot.
Sie sprachen von mehr Struktur in der Landschaft – gibt es künftig also kleinere Felder?
Schläge von 150 oder 200 Hektar wird es wohl in Zukunft weniger geben. Wir brauchen mehr Hecken in der Landschaft. Mehr Agroforst, so dass auch Kurzumtriebsplantagen genutzt werden, um den Wind zu brechen und ein besseres Kleinklima in die Landschaft zu bringen. Allerdings müssen wir dazu noch rechtliche Probleme lösen: Wenn Landwirte Flächen pachten, sind sie verpflichtet, sie in dem Zustand zu erhalten, in dem sie gepachtet wurden. Das ist ein großes Problem beim Pflanzen von Hecken, weniger bei Blühstreifen. Schwierig ist auch, dass Biotope herausgerechnet werden, wenn es um die Berechnung der Flächenprämie für Landwirte geht. Das gefällt mir überhaupt nicht, denn ich will ja, dass die Landnutzung und der Naturschutz miteinander verbunden werden.
Die Koalition will ja auch den Flächenerwerb durch Landwirte neu regeln, um die Preisexplosionen beim Ackerland zu stoppen und auch neuen Landwirten einen Zugang zu Land zu bieten. Wo stehen Sie bei diesem Thema - also dem Agrarstrukturgesetz?
Wir sind dabei, ein agrarstrukturelles Leitbild zu entwickeln. Denn bevor wir irgendetwas gesetzlich regeln, müssen wir wissen: Welche Landwirtschaft wollen wir künftig? Wollen wir Investoren von außerhalb der Landwirtschaft genau so behandeln, wie ortsansässige Landwirte, wenn Flächen auf den Markt kommen? Wollen wir es zulassen, dass die Bodenpreise explodieren, oder soll es da Obergrenzen geben?
Welche Rolle spielen künftig die landeseigenen Flächen? Auch da wollte man ja möglichst viel Gewinn aus der Verpachtung ziehen...
Das wollte vor allem der Landesrechnungshof von uns. Der hatte bemängelt, dass das Land zu wenig Pachteinnahmen erzielt. Mein Ziel ist es aber, die Pacht mit dem Ertrag einer Fläche in Verbindung zu bringen. Wir dürfen die Landwirte nicht überfordern. Die Gewinne sollen nicht vollständig durch die Eigentümer der Fläche abgeschöpft werden. Unsere Landpachtziele sollen immer so sein, dass der Landwirt von dem Land auch leben kann. Das Land möchte kein Preistreiber sein.
Dann gibt es ja noch die bundeseigenen BVVG-Flächen...
Wir setzen uns weiter dafür ein, dass die BVVG-Flächen im 30. Jahr der deutschen Einheit an die ostdeutschen Länder gehen. In Brandenburg sind das noch 33.000 Hektar, von denen die BVVG 2020 wieder 7.500 Hektar meistbietend verkaufen will. Damit bleibt sie ein enormer Preistreiber. Und den ortsansässigen Betrieben werden teilweise die Flächen unter dem Hintern wegverkauft. Unser vornehmliches Ziel ist es deswegen, diese Flächen in Landeseigentum zu bringen – auch wenn Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) da bislang ablehnend reagiert hat. Zwischenzeitlich hat auch Ministerpräsident Woidke noch einmal an Olaf Scholz geschrieben. Ich denke, das wird zum 30. Jahrestag der Einheit noch einmal ein Thema werden.
Was ist mit Betriebsverkäufen?
Da müssen wir besonders ran: Denn in den letzten Jahren ging es ja immer mehr darum, dass komplette Betriebe verkauft wurden, in Hedgefonds oder in eine Holding eingegliedert wurden. Da ist von außen gar nicht mehr erkennbar, wem das Land gehört. Aber die Gewinne fließen aus der Region ab. Das wollen wir ändern – auch wenn wir heute schon wissen: Was immer wir da machen, kann am Ende vor Gericht beklagt werden. Deswegen ist es uns besonders wichtig, dass wir hier rechtssicher unterwegs sind. Da hilft es uns, dass auch in anderen Bundesländern gerade Agrarstrukturgesetze erarbeitet werden. Wichtig ist auch, dass wir eine Siedlungsgesellschaft schaffen, die Flächen erwerben, bevorraten und dann an die Bauern vergeben kann.
Ein anderes großes Gesetz, an dem Sie gerade sitzen, ist das Jagdgesetz. Baden-Württemberg hat unter Grün-Schwarz ein Wildtiermanagement eingeführt. Planen Sie das auch?
Uns geht es in der Tat um ein Wildtiermanagement. Unser Problem im Wald ist, dass wir unglaublich kleinteilige Eigentumsverhältnisse haben. Mehr als 93.000 Waldbesitzer haben jeweils weniger als 10 Hektar. Ein großer Waldeigentümer kann Wildbestand und Verbiss über sein Jagdregime selbst steuern. Beim kleinteiligen Privatwald haben wir das Problem, dass Eigentum und Jagdrecht auseinanderfallen. Und mitunter findet die Bejagung nicht mehr in einer Form statt, dass sich der Wald noch verjüngen kann. Deswegen brauchen wir neue Formen des Wildtiermanagements.
Was würde das konkret für Jäger und Waldbesitzer bedeuten?
Das werden wir mit beiden Gruppen diskutieren. Als Minister bin ich sehr dialogorientiert. Mir geht es darum, beide Gruppen an einem Tisch zu haben – deswegen habe ich beide Jagdverbände beispielsweise neu in den Landesforstausschuss berufen. Und deswegen haben wir ein Brainstorming zum neuen Jagdgesetz im Landesjagdbeirat angesetzt, wo sowohl Waldbesitzer als auch Jäger vertreten sind.
Aber müssen Sie als Ministerium nicht am Ende ein Ziel haben?
Am Ende muss ich einen Gesetzentwurf haben, der dann dem Landtag unterbreitet wird. Die Zielsetzung ist ein modernes Wildtiermanagement. Das gilt besonders für das Schalenwild, also für Rehe, Hirsche und Wildschweine. Und da müssen die Interessen von Waldeigentümern und Jägern miteinander auch in Übereinstimmung gebracht werden.
Das heißt, am Ende steht dann „Wald vor Wild“?
Es geht um beides. Der Wald ist ein Ökosystem, in dem neben Pflanzen und Pilzen auch die Tiere eine Rolle spielen. Niemand will, dass es in Brandenburgs Wäldern keine Rehe und Hirsche und Wildschweine mehr gibt. Die Beispiele aus Revieren der Landesforst oder aus großen Privatforsten zeigen: Wo am Verbiss orientiertes jagdliches Management stattgefunden hat, ist die Naturverjüngung wieder in Gang gekommen. Da sind die Wildtiere aber nicht verschwunden. In Summe sind weniger Tiere da, aber die, die da sind, sind gesünder und finden bessere Nahrung. Niemandem ist damit gedient, wenn halbverhungerte Rehe durch eine auf Kilometer durchsichtige Kiefernplantage laufen.
Und wie erklären Sie jetzt den grünen Stammwählern, dass Sie mehr Tiere schießen wollen?
Zu den grünen Stammwählern zählen auch Jäger und Jägerinnen. Ich glaube, dass jeder, der ein Verständnis von Natur und ökologischen Zusammenhängen hat, und mal durch den Wald geht, ja sieht, wo ein zu hoher Wildbestand ein Problem ist.
July 12, 2020 at 09:13PM
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